Steuerneuheiten 2011
Jean-Frédéric MARAIA, Steueranwalt, Schellenberg Witter / Rechtsanwälte, in Genf
Im Jahr 2011 treten im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II auf der gesamten Bundesebene neue Bestimmungen in Kraft. Auf Kantonsebene sind bereits seit dem 1. Januar 2011 ähnliche im StHG vorgesehene Regelungen direkt in den Kantonen anwendbar, die ihre Rechtgebung bis zu diesem Zeitpunkt nicht angepasst haben.
Unter den Neuerungen sollte in erster Linie das Kapitaleinlageprinzip erwähnt werden, das das Nennwertprinzip ersetzt. Angesichts seiner Reichweite im Schweizer Steuersystem stellt es zweifelsohne die wichtigste Änderung dar.
Des Weiteren wurden vom Gesetzgeber neue Fälle des Steueraufschubs bei der Einkommensteuer für Selbständigerwerbende sowie eine Lockerung der Bedingungen für die Reinvestition eingeführt. Darüber hinaus und nach wie vor im Rahmen der Besteuerung von Selbständigerwerbenden, wurde die Besteuerung von Liquidationsgewinnen vergünstigt.
Drittens gelten auch für juristische Personen neue Bestimmungen. Neben der Änderung hinsichtlich der Reinvestition, die auch auf die Gewinnsteuer anwendbar ist, hat der Gesetzgeber die Bedingungen zur Anwendung der Steuererleichterung aufgrund Beteiligungen gelockert.
All diese Massnahmen werden im Folgenden kurz vorgestellt. Dabei wird zwischen der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen unterschieden (Kapitel 2.). Ein separates Kapitel ist dem Kapitaleinlageprinzip und seinen Besonderheiten (Auswirkungen auf natürliche und juristische Personen) (Kapitel 1.) gewidmet.
1. Kapitaleinlageprinzip
Nach dem Kapitaleinlageprinzip wird die Rückerstattung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 gezahlt wurden, gleich behandelt, wie die Rückzahlung von Grund- oder Stammkapital (Art. 20 Abs. 3 DBG; Art. 7b StHG in Verbindung mit Art. 72h StHG).
Bei einer Steuervorauszahlung ist vom Gesetz dieselbe Bestimmung vorgesehen, in der jedoch präzisiert wird, dass die steuerliche Behandlung, die sich aus dem Kapitaleinlageprinzip ergibt, nur dann anwendbar ist, wenn die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft die Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse in einer separaten Rechnung ihrer Bilanz verbucht und der Eidgenössischen Steuerverwaltung jede Änderung dieser Rechnung mitteilt (Art. 5 Abs. 1-bis VStG).
Die Einführung dieses neuen Prinzips ermöglicht eine bessere Berücksichtigung der Anforderungen des Verfassungsprinzips der Steuerkraft, und zwar in dem Masse, in dem der Teilhaber, der zu seinem Unternehmen durch die Zahlung von Zuschüssen beigetragen hat, bei der Rückzahlung der Beträge, beispielsweise im Falle einer Liquidation, nicht steuerpflichtig ist, während er bis zum 31. Dezember 2010 lediglich im Umfang der Rückerstattung des Aktienkapitals steuerfrei war.
Das Prinzip ist in seiner Anwendung jedoch komplizierter als es auf den ersten Blick scheint, denn es betrifft zahlreiche Vorgänge, darunter die Umstrukturierung von Unternehmen oder Sanierungen und wirft schwierige Fragen hinsichtlich der formelleren Aspekte von Belegen und Buchung auf.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat vor Kurzem ein Rundschreiben zu verschiedenen Aspekten der Anwendung des Prinzips herausgegeben. Gemäß der ESTV kann der Posten „Rücklagen aus Kapitaleinlagen” nicht aus offenen Einlagen zusammengesetzt sein, die direkt von den Teilhabern getätigt wurden. Als Folge fallen verdeckte Kapitaleinlagen und die Gewährung wirtschaftlicher Vorteile zwischen verbundenen Unternehmen unter „sonstige Rücklagen”. Hinsichtlich der Gewinnausschüttungen sind sie dann steuerpflichtig, wenn sie einen Einfluss auf die „sonstigen Rücklagen” haben. Rücklagen aus Kapitaleinlagen können zudem nur über einen bestimmten Zinsschein steuerfrei rückgezahlt werden. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die verdeckte Gewinnausschüttung vom ESTV als von den „sonstigen Reserven” abgezogene Ausschüttung gesehen wird.
Um von dieser neuen steuerlichen Behandlung zu profitieren, müssen nach dem 31. Dezember 1996 gezahlte Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse in einer separaten Rechnung der Bilanz verbucht worden sein. Der Steuerzahler muss die zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 31. Dezember 2010 gezahlten offenen Kapitaleinlagen spätestens im Jahresabschluss des Geschäftsjahres verbuchen, das 2011 endet. Informationen zum Überschuss finden sich im Schreiben der ESTV, die zahlreiche praktische Einzelheiten zur Angabe der Verrechnungssteuer bietet.
2. Die wichtigsten sonstigen Änderungen
2.1 Besteuerung natürlicher Personen
Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II hat der Gesetzgeber drei bedeutende Neuerungen für Selbständigerwerbende (Einkommensteuer) eingeführt, die mit Beginn des Jahres 2011 in Kraft getreten sind.
Erstens wurden die Bedingungen für die Reinvestition gelockert. Der Nachweis, dass das per Reinvestition erworbene Gut für das Unternehmen dieselbe wirtschaftliche Funktion besitzt, wie das veräusserte Gut, ist nun nicht mehr erforderlich. Es muss sich lediglich um für den wirtschaftlichen Betrieb notwendige und in der Schweiz befindliche Sachanlagen handeln. Der Ersatz von Immobilien durch bewegliche Sachen bleibt jedoch vom Gesetz vorbehalten.
Zweitens hat der Gesetzgeber neue Kriterien für den Steueraufschub eingeführt. Zum einen kann der Steuerzahler bei der Überführung einer den Sachanlagen zugehörigen Immobilie aus einem Unternehmensvermögen in ein Privatvermögen fordern, dass zum Zeitpunkt der Überführung lediglich die Differenz zwischen den Investitionskosten und dem für die Ertragsteuer ausschlaggebenden Wert („wiedereingebrachte Abschreibungen”) steuerpflichtig ist. Die übrigen stillen Reserven („konjunktureller Mehrwert”) werden im Nachhinein bei der Veräusserung der Immobilie als Einkommen aus der unabhängigen wirtschaftlichen Aktivität versteuert. In den Kantonen, die für die Sondersteuer auf Immobiliengewinne ein monistisches System anwenden, bleibt diese Bestimmung wirkungslos, da der konjunkturelle Mehrwert ausschliesslich dieser Steuer unterliegt, die aufgrund ihrer Systematik erst bei einer späteren Veräusserung erhoben wird. Die Verpachtung wirtschaftlicher Betriebe gilt nur auf Wunsch des Steuerzahlers hin als Übertragung in ein Privatvermögen.
Im Falle einer Erbteilung und wenn nur eine Gruppe der Erben die wirtschaftliche Aktivität fortsetzt, können diese zum Anderen den Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven bis zu einer späteren Realisierung beantragen, insofern die für die Einkommensteuer bestimmenden Werte erneut angenommen werden.
Ein Rundschreiben der ESTV vom 16. Dezember 2009 informiert über diese Neuerungen.
Drittens hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Liquidationsgewinnen für Selbständigerwerbende gelockert, um eine Schockreaktion aufgrund der Progressivität der Bemessungsgrenze zu vermeiden. Diese Massnahme besteht (i) in der separaten Besteuerung der gesamten stillen Reserven, die im Laufe der zwei vorhergehenden Geschäftsjahre realisiert wurden, (ii) in der Abschreibungsfähigkeit effektiver Rückkäufe aus Vorsorge und Versicherungen zu gewöhnlichen Bedingungen oder fiktiver Rückkäufe, also von Rückkäufen, die nicht durchgeführt wurden, deren Durchführung jedoch möglich gewesen wäre und die zu ordentlichen Bedingungen hätten abgeschrieben werden können und (iii) in der Anwendung eines Steuersatzes auf die Beträge der stillen Reserven, der einem Fünftel dieses Betrages entspricht, mindestens jedoch 2% (den Kantonen steht frei, den für die Besteuerung der Rücklagen geltenden Steuersatz selbst festzulegen). Diese Lockerung der Besteuerung von Liquidationsgewinnen betrifft ebenso den hinterbliebenen Ehegatten, sonstige Erben und Legatare, sofern diese den wirtschaftlichen Betrieb des übernommenen Unternehmens nicht fortsetzen. Die steuerliche Abrechnung erfolgt spätestens fünf Kalenderjahre nach Ende des Kalenderjahrs, in dem der Steuerzahler verstorben ist. Auch zu diesen Neuerungen hat die ESTV ein Rundschreiben veröffentlicht.
2.2 Besteuerung juristischer Personen
Die grösste Neuerung für juristische Personen ist im Jahr 2011 die Lockerung der Bedingungen für die Steuererleichterung aufgrund Beteiligungen. Bis 2010 war dieses System nur im Falle von Beteiligungen von über 20 % oder bei einem Kaufwert von über CHF 2 Millionen anwendbar. Die Reform verringert den Anteil von 20 % auf 10 % und den Kaufwert von CHF 2 Millionen auf CHF 1 Million. Zudem wurde alternativ als dritte Bedingung für die Anwendung dieses Systems, das Halten einer Beteiligung, die ein Anrecht auf mindestens 10 % des Gewinns und der Rücklagen eines anderen Unternehmens gibt, eingeführt. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Kapitalgewinne bei der Berechnung der Reduktion wurde parallel dazu die Bedingung der Veräusserung einer Beteiligung im Umfang von 20 % eines anderen Unternehmens durch zwei alternative Bedingungen ersetzt. Es handelt sich dabei um die Veräusserung einer Beteiligung im Umfang von 10 % des Kapitals eines anderen Unternehmens oder einer Beteiligung, die ein Anrecht auf mindestens 10 % des Gewinns und der Rücklagen eines anderen Unternehmens gibt. In der neuen Bestimmung ist jedoch festgehalten, dass, sollte die Beteiligung in Folge einer Teilveräusserung auf unter 10% fallen, die Reduktion nur dann über jeden späteren Veräusserungsgewinn gewährt werden kann, wenn sich der Kaufwert der Beteiligungsrechte am Ende des der Veräusserung vorausgehenden Steuerjahres auf mindestens CHF 1 Million belief. Die ESTV hat ein Rundschreiben veröffentlich, in diem diese Neuerungen erläutert werden.
Die oben besprochene Lockerung der Bedingungen für die Reinvestition bei Selbständigerwerbenden ist ebenso auf juristische Personen anwendbar (die Bedingung hinsichtlich der Funktion der Sache wird aufgehoben). Im Falle eines Ersatzes von Beteiligungen schreibt das Gesetz von nun an vor, dass stille Reserven auf eine neue Beteiligung übertragen werden können, wenn die veräusserte Beteiligung mindestens 10 % des Kapitals oder mindestens 10 % des Gewinns und der Rücklagen des anderen Unternehmens entsprach und wenn das Unternehmen diese Beteiligung über mindestens ein Jahr gehalten hat.
Genf, den 01.01.2011